Zwischen Gnitz und Liepe

Mai 6, 2024 § Hinterlasse einen Kommentar

Von unserem Feriendomizil an der Gnitzer Südflanke aus blickten wir direkt auf den Lieper Winkel. Dazwischen flaches Gewässer an der Scheide zwischen Peene und Achterwasser. Durch dichtes Schilf hier hinten rechts gut zu erkennen die flache Landzunge im Hinterland Usedoms:

Wenig Touristen verirren sich hierher. Auf unserer knapp vierstündigen Umrundung des Lieper Winkels mit anschließender Einkehr in den Rankwitzer Hof (sehr zu empfehlen!) kreuzten vielleicht drei Radler unseren Weg. In umgekehrte Richtung blickten wir von Warthe aus auf die Gnitzer Südspitze:

Das im Mittelgrund gut zu erkennende Schiffswrack scheint ein örtlich beliebter Angelplatz zu sein.

Bekanntschaft machten wir während der fünf Tage in Lütow u. a. mit einem stoisch seine Bahnen ziehenden Mähroboter und der herrlichen Birke, standhaft zwar aber sanft in stetiger Brise sich wiegend:

Der Roboter hätte übrigens während einer meiner Tulpenzeichnensessions beinahe mehrere der ausgebreitet auf dem Rasen liegenden Skizzenbücher überrollt. Von Hause aus mäßig kunstbeflissen nahm er sie als Hindernis nicht Ernst und musste mittels ausgestrecktem Fuß vom eingeschlagenen Kurs abgebracht werden.

Mit meiner kleinen nach längerer Pause reaktivierten Sony RX-100 durchstreifte ich das Gelände, hielt einige Impressionen fest:

und verabschiede mich für heute mit einem Selbstportrait mit Pappeln vor kaiserblauem Himmel in spiegelglatter Sumpflandschaft:

Totentanz einer Tulpe

Mai 5, 2024 § 4 Kommentare

Gestern, am vorletzten Tag unseres Gnitzer Kurzurlaubes, krümmte sich an den Tulpen ein einzig verbliebenes Blütenblatt, eingekringelt und in sich gekehrt das Ende erwartend. Nichts hatte das Blütenblättchen von seiner rotvioletten, gelb gemusterten Farbe eingebüßt. Aber entfalten konnte sich der schillernde Ton nicht mehr. Die würfelartige Spitze meines permanent marker drehend, schleifend, schiebend und rubbelnd ansetzend versuchte ich, dem eigenartigen Minimalismus der sterbenden Pflanze nachzuspüren. Im folgenden wiedergegeben jede Zeichnung recto und verso (was vom Schreibmittel auf der Rückseite des Papiers sichtbar wurde, nimmt den weiteren Verfallsprozess schon voraus. Sozusagen).

Im Atelier Gnitzer Naturschutzgebiet mit benachbartem Feriendomizil

Mai 3, 2024 § 6 Kommentare

Zuoberst der einsam ausharrende Wacholderbaum. Bei meinen Großeltern in Bielefeld gab’s in geselliger Runde stets einen Wacholder. Das hat sich meiner kindlichen Erinnerung tief eingebrannt und verleiht der Pflanze seit damals mystischen Tiefgang. Als nächstes der Sumpf mit Froschkonzert, sodann das Ferienhaus mit Tulpen und Blick auf‘s Achterwasser sowie zwei mächtigen Weidenstümpfen.

Gnitzer Tulpen

Mai 2, 2024 § 6 Kommentare

Auf der Terrasse sitzend in angenehmst mild spätfrühlingshafter Sonne und vor der Kulisse des im Licht funkelnden Achterwassers springen drei Tulpen ins Auge. Kräftig rot leuchtend aber überschrittenen Zenits stemmen sie sich ihrem Ende entgegen. „Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre“ sagt Goethe*.  Einstweilen überlasse ich das Rot der Einbildungskraft des Betrachters, und arbeite mit Permanent Marker auf Moleskine Daily Diary 2023-2024.

zitiert nach Anita Albus, Die Kunst der Künste.

Kleine Fotostrecke mit den Schumanns und Anita Albus im Lichte neuer Erkenntnisse

April 29, 2024 § 2 Kommentare

In der Staatsbibliothek die Daguerreotypie betrachtet, die Robert und Clara Schumann als Paar zeigt. Aufgenommen in Hamburg 1850, vier Jahre vor Beginn von Roberts Martyrium in Endenich und Claras Wiederaufnahme ihrer regen Konzerttätigkeit.

Daguerreotypie von Johann Anton Völlner: Schumann in sich gekehrt, Clara freundlichen an ihm vorbei blickend, die rechte Hand auf der Tastatur, ihrer pianistischen Potenz gewiss. 

Die silberbedampfte Kupferplatte ist aufgrund der Reflexionen im Raum und des Alters schwer abzulichten, wird aber nun professionell digitalisiert. Dann lassen sich vielleicht noch mehr Details erkennen.

oben links: Sofastillleben mit Anita Albus, von der ich antiquarisch drei unglaublich spannende Bücher erwerben konnte:

  • Die Kunst der Künste. Erinnerungen an die Malerei. Frankfurt am Main 1997.
  • Paradis und Paradox. Wunderwerke aus fünf Jahrhunderten. Die andere Bibliothek, hrsg. von Hans Magnus Enzensberger, Frankfurt 2002.
  • Maskulin – Feminin. Die Sexualität ist das Unnatürlichste von der Welt. München 1972. Darin: Anita Albus, Neue psychoanalytische Theorien der weiblichen Sexualität (und: sehr lesenswert und hochaktuell: Franz Böckelmann, Aspekte der Männlichkeit)

Albus ist ja eine ausgesprochene Modernitätsverächterin und schrieb bereits 1997 (!): „Glauben wir unser Zeitalter vor Irrtümern gefeit, weil alle Informationen auf Knopfdruck ins Haus schneien, erliegen wir einer doppelten Illusion. Zum einen können wir nicht mehr aufnehmen, als das kurze Leben erlaubt, zum anderen multiplizieren sich die Dummheiten durch Menge und Leichtigkeit der Rezeption ungleich schneller, als die im Info-Mischmasch verborgenen Denkfrüchte.“ Die Kunst der Künste, S. 271

Aktzeichnen

April 27, 2024 § 4 Kommentare

Inmitten der Vorbereitung zur Ausstellung war noch Zeit für einen Termin mit Modell in Mols Landens Atelier. Sehr angenehm entspannte Atmosphäre, wunderbares Modell. Unter anderem auf A3-Karton zeichnete ich in Permanent Marker und Kohle – eine Kombination, die sich spontan ergab und gut funktionierte.

„Kopfstücke“ in der Ausstellung zum Gallery Weekend Berlin

April 25, 2024 § 9 Kommentare

Morgen früh geht‘s zur Hängung der Bilder in die Brunnenstraße 145. Hier zeige ich die vollständige Serie von zwölf Kopfstücken, vor Ort zu sehen sein wird eine Auswahl der Arbeiten ab morgen bis 17. Mai.

Alle Arbeiten Fine Art Print, Acrylglas, 40×40 cm.

Gallery Weekend Berlin 2024

April 22, 2024 § 8 Kommentare

Liebe Freundinnen und Freunde,

am kommenden Wochenende, 26. – 28. April und für weitere zwei Wochen, zeige ich im Rahmen des Gallery Weekends einige aktuelle Arbeiten aus meiner Serie hybrider Bildschöpfungen, ergänzt um ein paar ältere Arbeiten in Eitempera und Acryl auf Leinwand. Bildthema sind Köpfe. Ein Auszug aus meinem die Präsentation begleitenden Text:

“Ich zeige digitale Arbeiten auf der Basis von Originalarbeiten in Eitempera und Acryl, die für diese Serie eingescannt wurden. Mittels Techniken von Überlagerung, Überblendung und Collagierung im digitalen Raum wurden haptisch-figürliche Arbeiten mit Eitempera-Klecksereien bzw. -Abklatschen konfrontiert. Der kreative Funke entzündet sich an Strukturen, wie sie im freien Kräftefeld zwischen fett- und wasserhaltigen Bindemitteln, Pigmenten und starken Untergründen zufällig entstehen, und misst sich an der emotionalen Dringlichkeit expressiver Farbverläufe.“

Ort: Volkssolidarität, Brunnenstraße 145, 10115 Berlin

http://www.e-mergingartists.art/artist/stefan-weber

Herzlich willkommen!

Unterwegs in einem unheimlichen Land

April 15, 2024 § Ein Kommentar

Alle Fotos mit dem Handy aus dem fahrenden ICE aufgenommen während mehrerer Fahrten in den letzten Monaten. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Motive teils vor dem Kameraauge vorbeiflitzen, aber auch aufgrund oft unübersichtlicher Lichtverhältnisse ist die Handysoftware gelegentlich überfordert und mischt sich unhinterfragt in den kreativen Prozess ein. Das ist natürlich hochwillkommen. Kreuzen dann auch noch Regenspuren auf der Scheibe das winzige Objektiv, wird es schnell spooky. Auch das ist hochwillkommen.

En-détail

April 12, 2024 § 2 Kommentare

Entgegen anders lautender Gerüchte steckt im Detail nicht der Teufel, sondern der liebe Gott. Anita Albus leitet passend hierzu eine ihrer Erzählungen mit einem Zitat Vladimir Nabokovs ein: „detail is always welcome“. So sehe ich es auch. Nicht immer zur Ergötzung meiner Zeitgenossen, denen meine notorisch ausgeprägte Diskutierfreude gelegentlich gewaltig auf den Senkel geht. Ich hake gerne nach, wo andere in der Unterhaltung längst zwei Themen weiter sind, und möchte Genaueres wissen, wann immer die Untiefen strittiger Themen im fortschreitenden Diskurs bereits ausgelotet scheinen. Nicht verhehlen möchte ich auch, dass ich gelegentlich Gefallen an der Rolle des advocatus diabolus finde, immer auf der Suche nach dem Haar in der Suppe, das andere um des lieben Friedens willen gern übersehen. Mit Fritz Teufel (nomen es omen) und ihn zugleich verdrehend möchte ich dann ausrufen: „wenn’s aber doch der Wahrheitsfindung dient!“ Zweifellos legte meine Familie hier den Grundstein. Väterlicherseits jedenfalls. Mein Vater war ein mit Worten erbittert für das Gute, insbesondere das Soziale streitender Mensch. In einem Alter, in dem ich glaubte, genügend intellektuelles und moralisches Rüstzeug erlangt zu haben, um mich in die Themen einzubringen, war er allerdings bereits ein Stück weit vom Ursprungsgedanken seines Gerechtigkeitssinns ab- und in Richtung gesellschaftlicher Mitte/Mitterechts hinübergerückt. Das ergab hinreichend Stoff für erhitzte Diskussionen und zeittypische Reizthemen wie Kommunismus, Anarchie, Außerparlamentarische Opposition, Radikalenerlass, Atomkraft, Grundgesetzboden undsoweiterundsofort. Mir empfahl er, einmal mit dem Kamm mein dichtes Haar zu durchforsten, bevor ich mich zum Symphoniekonzert ins Hessischen Staatstheater auf den Weg machte. Er selber freilich scheute sich nicht, zum dunklen Anzug hellbeige Schuhe zu tragen, ein Stilbruch, den ich erst dann als zulässig anerkannt hätte, wäre er sich dessen überhaupt bewusst gewesen. Aber das nur am Rande… Summa summarum: Genießen wir schöne Oberflächen, aber tauchen wir gelegentlich auch in die Tiefe – Untiefen vermeidend! – und entdecken die faszinierende Verästelungen der menschliche Psyche im Widerschein einer unendlich ausdifferenzierten Objektwelt…

(Foto: „Urbanes Gewässer“ am Marlene-Dietrich-Platz gestern Nachmittag. Das von der gläsernen Hochhausfassade gebrochene und im Wellenspiel des aufgewühlten Wassers funkelnde Sonnenlicht zauberte einen jener magischen Momente, wie sie sich durch die zufällige Begegnung unterschiedlichster Phänomene ergeben.