Am Tag der Deutschen Einheit

Oktober 5, 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

begab ich mich in ein Neues Bundesland und besuchte das Lindenau-Museum in Altenburg. Ein stattlicher Neorenaissancebau. Die Sonne warf einladend ihr mildes Gegenlicht durch das Grün des ansteigenden Parks. Mich aber zog es über mächtige Eingangsstufen, unkrautbewachsen, zum Portal empor und durch die schwere Holztür hinein ins Museum. Stärkungsbedürftig nach früh begonnener Reise erkundigte ich mich als erstes nach einer  Cafeteria. „Wir servieren Getränke, aber keinen Kuchen. Den gibts gleich um die Ecke… ach nein, heute ist ja Feiertag“ Die Dame wies mir den Weg duch die Glastür nach rechts in einen sonnendurchfluteten Saal voller Gibsabgüsse antiker Statuen. Ein Museumsmitarbeiter begrüßte mich und nahm meine Bestellung entgegen. Ich setzte mich an einen stilvollen Marmortisch und bekam Kaffee und Mineralwasser. Ich war der einzige Gast im riesigen Saal und ließ Götter, Heroen, Gips, Marmor, Sonne, Stille und den wohltuenden  Kaffee auf mich wirken. Dann zahlte ich. Ein Euro fünfzig. Oben eine bedeutende Sammlung frühitalienischer Tafelbilder (wohl die größte ihrer Art außerhalb Italiens), frühe Moderne (Felixmüller, Corinth, Liebermann, Slevogt die bekannteren darunter), ein Saal mit Zeichnungen Gerhard Altenbourgs. Ich blieb an einem Portrait Domenico Ghirlandaios hängen. „Bildnis einer jungen Frau“. „All great art is delicate.“ las ich neulich bei John Ruskin in seiner wirklich sehr bemerkenswerten Zeichenschule „Elements of Drawing“. Diese junge Frau erfreut aus jeder Entfernung. Man kann mit einiger Distanz den erhaben milden Ausdruck bewundern, Proportion und ausgewogene Komposition auf sich wirken lassen. Oder sich immer weiter hineinziehen lassen in den Mikrokosmos feinster Schattierungen und Ausdifferenzierung der Haut, oder des andrazithfarbenen Stoffes ihres Kleides. Gemalte Zeit.  Unterlaufen in der Ruhe und Hingabe eines Malprozesses, dessen kleinste Bewegungen das Auflösungsvermögen des Auges beschämen. Wie anders ein paar Säle weiter. Conrad Felixmüller. Farbe auf Leinwand. Flach, dick, schnell. Ich fühlte mich spontan erinnert an einen Rundgang durch’s Frankfurter Städel vor Jahren, als Umbau-bedingt eine Auswahl der Bilder streng chronologisch gehängt war. Damals ließ ich mich über Stunden verzaubern von der frühen Kunst, Renaissance vor allem, und ging dann immer weiter Richtung Moderne. Und plötzlich sackte alles in sich zusammen. Die Magie war weg. Das ist natürlich ungerecht. Man muss sich neu positionieren. Umschalten und ganz anders einlassen. Aber erstmal ist da Enttäuschung. Nichts von diesem ultrafeinen Oszillieren, stattdessen brutale Setzung, einzig Ausdruck künstlerischer Selbsbespiegelung. Hier malt der Künstler. Ein Ghirlandaio wusste sicher, was er konnte. Aber er verschwindet völlig hinter seinem Werk. Keine Handschrift. Medium. Natur. Wie sympathisch!

 

Dies ist auch Natur. Und irgendwo ist da, glaube ich, auch eine junge Frau versteckt…

 

Einer dieser Räusche 1_

 

Einer dieser Räusche 3_

Von Conrad Felixmüller zu Heinz Lewerenz

April 12, 2013 § Ein Kommentar

Wie bereits erwähnt besuchte ich neulich die Felixmüller-Ausstellung in Chemnitz. Warum gerade dieser Maler? Nun, abgesehen davon, dass es dort wirklich schöne Bilder zu sehen gibt – z. B. das Portrait der Frau Feilgenhauer in atemberaubend apfelgrün samtigem Kleid, oder das Bild zweier Liebender im Park „Im Frühlingswind“ – hat es mit diesem Maler, der hinter den Großen wie Dix, Grosz usw. ein wenig zu kurz kommt, noch eine andere Bewandtnis. Sehr persönlich, zugegebenermaßen, und eine Geschichte halt. Die geht so: Felixmüller studierte in Dresden zusammen mit Böckstiegel, einem aus dem Westfälischen stammenden Maler. Beide waren befreundet, sogar verschwägert. Böckstiegel wiederum war zuvor an der Bielefelder Kunstgewerbeschule bei Godewols ausgebildet worden, u. a. zusammen mit einem gewissen Heinz Lewerenz. Dieser Kreis um Godewols fuhr zu Ausstellungen der damals revolutionären Französischen Maler und rezipierte intensiv die aktuellen Strömungen in der Kunst. Nach dem Ersten Weltkrieg etablierte sich in Bielefeld eine regelrechte Künstlergemeinschaft, eine progerssiv-bohemieske Szene mit reger kultureller Aktivität (ja, man unterschätze mir Bielefeld nicht!) In diesen Kreisen verkehrte auch eine Kusine meines Großvaters, Herta Keller, die sich von jenem Lewerenz nicht nur malen, sondern gleich auch schwängern ließ. Leider hatten es zu dieser Zeit uneheliche Kinder schwer, und meine Mutter erzählt, dieser Junge blieb immer ein wenig außen vor. Und es scheint, dass Lewerenz, der später nach Kassel ging, und dessen spätere Familie, von seiner „Jugendsünde“ nichts mehr wissen wollten. Seine Bilder aber wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Bielefeld bei Ausstellungen gezeigt. Und so kam es, dass den Sohn, der inzwischen nach England ausgewandert war, aus dem fernen Bielefeld eines Tages die aufgeregte Nachricht einer Verwandten erreichte: in der Kunsthalle, da hängt an prominenter Stelle ein Portrait deiner Mutter ! Das sind so Geschichten. ..

Und hier, ohne Bezug zur Geschichte, eine kleine Skizze, die ich neulich – es regnete mal wieder – in der U-Bahn ins Notizbüchlein kritzelte:

Mann in der U-Bahn

Natur und Kunst

April 3, 2013 § Hinterlasse einen Kommentar

Über Ostern mit der Bahn nach Chemnitz – Besuch der Conrad-Felixmüller-Ausstellung – und weiter mit der vom Aussterben bedrohten Erzgebirgsbahn – wo man noch so schöne Sätze hört wie „Bedarfshalt. Zum Aussteigen bitte JETZT Haltewunschtaste betätigen“ – nach Olbernhau. Aus der als Frühjahrswanderexkursion geplanten Reise wurde kurzerhand ein nachgereichter Winterurlaub. Herrlich. Schon die Zugfahrt nach Leipzig ließ an meinem Auge eine Welt vorbeiziehen, die ein gnädiger Gott großzügig mit der Puderzuckerbüchse bestreut hatte. Hoch gestimmt nahm ich die entgrenzte und aller Schmuddeligkeiten enthobene Welt da draußen wahr. Allerdings glaube ich nicht ganz normal zu sein, denn umgeben bin ich von Menschen, die in letzter Zeit ob jeden erneuten Schneefalls aufstöhnten. Und das nicht vor Lust. Dabei gibt es nichts Schöneres als Schnee. Wenn er da ist. Es gibt auch nichts Schöneres als lau temperierte, mild riechende Frühlingsluft. Wenn sie da ist. Und am Schönsten ist ein heißer Sommertag, der sich urlaubenderweise bereits am Nachmittag mit einem kühlen Glas Weißwein zelebrieren lässt. Alles zu seiner Zeit wohlgemerkt. Glück ist, hab ich grad gelesen, nicht alles zu wollen und vor allem nicht sofort.  Sehr wohl bewusst bin ich mir der sozialhygienischen Bedeutung geselligen Klagens. Meckern ist der Stuhlgang der Seele. Aber einer muss ja den Spielverderber geben. Ich tu’s gern. Und schweife ab. Im Erzgebirge wanderte ich durch tief verschneite Landschaften und trotze der Kälte immerhin ein paar Skizzen ab:

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Hier der Blick auf Olbernhau-Grüntal, mit Eisenbahnbrücke und Cafe Hüttenmühle, da gibt’s leckere Torten und in der angeschlossenen Pension ein warmes Zimmer mit Bett, Stuhl und Tisch. Die sympathische Wirtin bereitet ein leckeres Frühstück und ertrug tapfer meinen zugegebenermaßen etwas speziellen Humor. Sie wußte nämlich zu berichten, dass in dem beschaulichen Örtchen allerhand Polizei unterwegs sei auf der Such nach Crystal, das in dieser Grenzregion in größeren Mengen an Jugendliche verkauft würde. Woraufhin ich meinte, da müsse man sich ja wenigsten, wie andernorts auf dem Lande,  keine Sorgen machen dass die Jugend abwandert. Ich wurde auf meinen Wanderungen auch nicht gefilzt. Wohl zu alt.

Olbernhau_Grüntal01

Olbernhau_Grüntal03

Olbernhau_Grüntal02

Auf dem Rückweg widmete ich mich nochmal der wirklich sehenswerten Kunstsammlung in Chemnitz

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und in Zügen, auf Bahnhöfen und in Cafes gab’s ausreichend Gelegenheit für rasche Skizzen:

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Wo bin ich?

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