Immer der Linie nach, absichtslos oberflächlich

Januar 3, 2024 § 4 Kommentare

Gefragt, wo wir hingehen, pflegte mein Vater zu sagen: Immer der Nase nach. Als Kind fand ich das unbefriedigend und nahm es als durch Launigkeit nur schwach getarnte Machtdemonstration wahr. Im Grunde weiß ich auch heute nicht immer genau, wo mich der Stift, den ich übers Papier spazieren führe, wie Klee das nannte, absetzt. Immer der Vorlage nach, die meist ein fotografisches Abbild auf Papier oder einem Bildschirm besteht. Seltener aus sich hoffentlich unbeobachtet fühlenden Menschen, noch seltener aus eigens zu diesem Zweck positionierten und still haltenden Menschen. Man kommt in Kontakt mit ihnen, ohne sie zu kennen, und beschäftigt sich oberflächlich. Das tut gut. Ob ich nun mit dem Auge einen sinnlichen Reiz abtaste, oder mit dem Stift, ist kein allzu großer Unterschied. Hauptsache sie vertragen sich – Hand und Auge, zumal ja noch ein Drittes ins Spiel kommt, das Ich. Was auch immer das sein mag. Das Meditative am Zeichnen ist jedenfalls, letzteres mal weitgehend aus dem Spiel zu nehmen. Absichtslos oberflächig, das ist es.

Die Leichtigkeit der Linie, zugleich der Philosophie des Körpers V. Teil

Dezember 12, 2023 § 2 Kommentare

Fotografien sind schön, prunkende Öl- oder Acrylbilder haben ihre Wirkung, aber ein leichter Strich, scheinbar achtlos dahingeworfen, kann auch seinen Reiz entfalten. Mit je weniger Punkten – ja, auch Striche bestehen aus nichts als Punkten – die Zeichnung auskommt, aus desto mehr Luft sie andererseit besteht, je reizvoller will sie mir scheinen. Freilich stecken wir in diesem Perfektionsdrang, was gut scheint, kann noch besser werden, und so ist es eine wahre Kunst, rechtzeitig aufzuhören, nicht hier noch die Linie zuende ziehen, da noch eine Lücke schließen und am Ende ordentlich gewichten durch Nachziehen besonders hübscher Linien. Vielleicht steckt hinter allem ja auch der Drang, sich beweisen zu müssen, zu zeigen, was man selber sieht und folglich doch auch alle anderen sehen müssen – anstatt etwas loszulassen, was entweder seinen Weg geht, oder eben nicht. Oder später mal unverhofft um die Ecke kommt. Mir jedenfalls haben diese von Instagram-Fotografien inspirierten Linien Freude bereitet. Das nächste Mal mit noch mehr Luft, hoffentlich. (Aus der Selbstüberlistungstrickkiste greife ich dann zum Mittel Zeitnot)

Francis Bacon

September 21, 2021 § 6 Kommentare

Wer Wege der Darstellung des menschlichen Körpers sucht, kommt an dem britischen Maler Francis Bacon nicht vorbei. Das Dogma einer vermeintlich allein selig machenden abstrakten Kunst in der Nachkriegszeit konsequent ignorierend, suchte er nach Möglichkeiten, das Wesen menschlichen Seins als physisches Spektakel auf die Leinwand zu bringen.

Doch anders als heutzutage üblich ist der Körper bei Bacon kein Lifestyle-Produkt, das nach Belieben klischeehaften Schönheitsvorstellungen untergeordnet wird. Bacons Körper gehen durch den Schmerz, vibrieren vor Lust und grenzen bei aller Vitalität stets an das Stadium morbiden Verwesens. Die Bilder schockieren noch immer, weil sie alles bloß Illustrative strikt meiden und die Dynamik menschlich-physiognomischen Agierens durch stellenweise groteske Verzerrungen sichtbar machen. Bacon war ein fanatischer Genussmensch und bediente sich schonungslos der Möglichkeiten des eigenen Körpers. Bannte er ihn auf die Leinwand, ungeschönt und die Sensationen des Nervensystems auslotend, hatte er am eigenen Leib erfahren, worum es ging.

Mir persönlich sind Exzesse dieser Art fremd. Drum bleibt meine Skizze des Baconschen Kopfes auch dem Illustrativen verhaftet. Das Faszinosum seiner Bilder aber wirkt. Nicht zuletzt, weil das Prinzip einer ästhetische Überhöhung die an Körper und Seele jüngst erfahrenen eigenen Verletzungen in ein neues Licht tauchen.

Schneewärts

Mai 13, 2019 § Hinterlasse einen Kommentar

Weil wir uns den Schnee erwandern wollten, fuhren wir nur bis zur Mittelstation hinauf. Unterwegs dann die Vegetation teils um Wochen hinter der unten im Tal zurück, zarte Knospen erst, aber saftiggrüne Wiesen in hübschem Kontrast zu Felsengesprenkelten Schneegipfeln im Hintergrund. Ein paar Schafe aufs Fressen konzentriert mit wenig Sinn für die erhabene Bergwelt.

Dann vereinzelt Schneereste, schnell aber großflächig krustig tauender schließlich feinster Pulverschnee. Wer wie ich den Winter über keinen Schnee abbekam, holt ihn sich eben im Mai im Hochgebirge. Passt schon, im Nachhinein. Höhe gewinnen aber ist anstrengend:

Oben auf der Alm tapfer draußen gesessen, eine gnädige Sonne gibt sich, vielmehr uns die Ehre, das Bergpanorama fest im Blick.

Später aber drinnen am offenen Kamin aufgewärmt, bevor‘s hinunter ging, fast im Galopp weil Knieschonender. Merke: Abwärts immer die Schwerkraft mitnehmen anstatt sich dagegen zu stemmen, ist effizienter. Und Papas alte Wanderschuhe, rechtzeitig neu besohlt, gewährleisteten sicheren Tritt. Jetzt sitzen wir im Ort auf dem Balkon und schauen hinauf zum Schnee, dessen Weiß nahtlos in den Himmel übergeht. Und dieser Himmel glänzt wie ein Spiegel der nur Licht reflektiert.

Reiseskizzen

Februar 12, 2019 § 14 Kommentare

Ohne das kleine Schwarze gehe ich nicht aus dem Haus. Schon gar nicht auf Reisen. Um so größer die Erleichterung vor dem Schock, als eine aufmerksame Sitznachbarin im ICE das schwarze Notizbüchlein unterm Sitz hervorzog und mich fragte, ob es das meine sei, noch bevor ich den Verlust überhaupt bemerkt hatte. Meine Erleichterung war groß und nur der Schicklichkeit halber fiel ich ihr nicht um den Hals, enthält das Büchlein doch nicht nur meine Skizzen, sondern die Gedanken und Literaturexzerpte der letzten vier Monate. Ich hätte die vier Monate nochmal leben müssen, hätte sie nicht aufgepasst. Ihr widme ich die ansonsten verloren gegangenen Skizzen meiner Reise.

 

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Paare

Dezember 3, 2018 § 4 Kommentare

Auf Instagram sind wir alle gleich. Ob eine berühmt ist, gerade einen Grammy gewonnen hat und zwei Millionen Follower auf dem Buckel, oder ein Nobody mit zwei treuen Anhängern – alle teilen sie sich das gleiche Format, haben die gleichen Möglichkeiten, sind gleich gut erreichbar. Zwar erkennt man Unterschiede, Grade von „Professionalität“ der gemachten Aufnahmen. Das aber fällt nicht ins Gewicht. Das stets gleiche Format schärft den Blick für das je Besondere. Bisweilen wird’s arg schräg  – neulich geriet ich beim Stöbern an Schönheitschirurgen. Einer macht das immer gleiche Foto mit Siegesdaumen und Honigkuchengrinsen umringt von OP-Schwestern, ein anderer präsentiert die Körper seiner Opfer mit aufgezeichneten Schnittmarkierungen. Aber hey, wer nicht selber ein bisschen plemm-plemm ist im Kopf, der werfe den ersten Stein! Und dann das Bedürfnis, sich als Paar zu zeigen. Das fand ich so anrührend, dass diese kleine Serie entstanden ist:

 

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Zwischenbemerkung in eigener Sache, nebst Fortsetzung der Instagram-Serie

Dezember 2, 2018 § 11 Kommentare

Mit zunehmendem Alter versteht man, warum alte Menschen so sind wie sie sind. In jungen Jahren verstand man das eher nicht. Das ist wohl auch richtig so, denn irgendwoher muss die Energie kommen, um die Dinge im Fluss zu halten. Und junge Menschen mit dem Wissen der Alten zu belasten, bremst diese Energie. So gesehen bestünde die Weisheit des alten Menschen darin, sich Schlupflöcher, Nischen und stille Winkel zu suchen, um dort unbehelligt dem anstehenden Tagesgeschäft nachgehen zu können, während links und rechts die Jugend vorbeistürmt. WordPress nervt derzeit mit einem aufpoppenden Banner „A new Editor ist coming to level up your layout. Mehr erfahren? Nein, danke! x“ Meine Nische ist der alte Editor, der mich in Ruhe das machen lässt, wozu ich WordPress nutze. Was er mich nicht machen lässt, brauche ich nicht. Die Jugend darf gerne ihr Layout aufbrezeln, oder auch sich als Testvieh am Ring durch die Manege des Silicon Valley ziehen lassen. 

 

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Ausschnitt aus Bild Nr. 7, stark vergrößert:

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Die Schere des Grauens

November 29, 2018 § 8 Kommentare

Von wegen der Mensch sägt an dem Ast, auf dem er sitzt. Er schnippelt. Die ersten genmanipulierten Menschen haben das Licht der Welt erblickt, nachdem an ihrem Erbgut ein wenig mit der Schere herumgeschnippelt worden war.  Von dieser Stelle aus meinen herzlichen Glückwunsch allen Forscherinnen und Forschern, die dies ermöglicht haben. Aber das nur am Rande. Nicht dass der alltägliche Wahnsinn einen wie mich davon abhalten könnte, ein paar harmlose Bildchen zu malen.

 

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(aus der Instagram-Serie)

Wir Narren

November 25, 2018 § 11 Kommentare

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(Fortsetzung der Instagram-Serie)

Im Café

November 18, 2018 § 7 Kommentare

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(Der gute alte Filterkaffe erlebt gerade eine Renaissance. Drum heißt der „normale“ Automatenkaffee jetzt Americano, obgleich das in Amerika übliche Heißgetränk unfassbar dünner Automatenfilterkaffee ist. Oder war. Die (Kuchen-)Schnitte ist ein „bar“. Das hab‘ ich mir von einem ob meiner hinterwäldlerischen Nachfrage kurz irritiert aber sonst super freundlich agierenden Angestellten erklären lassen. Na ja, ich verirre mich nicht mehr allzu oft nach Mitte. Zu viel Geld dort.)

Wo bin ich?

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