Ein paar Gedanken aus aktuellem Anlass, im Privaten durchaus das Allgemeine streifend

Februar 28, 2023 § 6 Kommentare

Geh nicht zu Grunde, den Sinn zu ergründen.

Suche du nicht. Dann magst du ihn finden.

Die zwei letzten Verse des Gedichts Resignation für Anfänger von Mascha Kaléko, zitiert nach der Frankfurter Anthologie aus der FAZ vom 9.4.2005, als Zeitungsausschnitt überdauert in einem Buch aus der Bibliothek meiner Mutter, gefunden beim Durchforsten der aufzulösenden Wohnung, die auch das Zuhause meiner Kindheit war. Trivialreliquien – diesen Begriff las ich in einem anderen Zeitungsausschnitt, eine Berliner Ausstellung aus dem Jahr 1987 – ich lebte bereits ein Jahr im Vorwendewestberlin (eine Tautologie?) – dokumentierend. Er meint die Aufwertung banaler Alltagsdinge durch die Aura eines Vorbesitzers. Aber was ist schon trivial. Sprache sicher nicht. Denn hier ist es eine Vorbesitzerin, die Aura verleiht. Geben wir also der Sprache noch Zeit, etwas Passendes zu finden. Eine Sprache, die die Überwindung des maskulinen Blicks auf die Welt jenseits des bemühten Konstrukts eines generischen Maskulinums mitvollzieht. (Schade nur, dass über alle, die ernsthaft bemüht sind, die steckengebliebene Sprachkarre hier aus dem Dreck zu ziehen, so viel Häme und Spott gegossen wird)

(Foto: Der frühabendliche Himmel am 14. Oktober 2022)

Die Internationale Funkausstellung im Harz

Januar 30, 2021 § 8 Kommentare

In meiner Kindheit gab es zuhause keinen Fernseher. Wohl aber bei meinen Großeltern, die wir regelmäßig in Bielefeld besuchten. Bleibenden Eindruck hinterließ die Berichterstattung von der Internationalen Funkausstellung aus Berlin, die während eines dieser Besuche stattfand. Westberlin hing damals am Tropf der alten Bundesrepublik, und ein Leben dort wurde, wann immer sich die Gelegenheit bot, in den buntesten Farben beworben. Der Bericht von der IFA glänzte also nicht nur mit den neuesten technologischen Entwicklungen, sondern zeigte die Facetten einer Großstadt, in der es sich leben ließ. Damals verblüffte mich eine Szene am Wannsee. Strandleben wie ich es von der Nordsee kannte, mitten in der Großstadt. Das schien mir exotisch und grundierte in diesem Mix aus Urlaubs-Laissez-faire und Glamour fortan meine Vorstellung von Berlin. Als ich viele Jahre später nach Berlin zog, erlebte ich einen Winters zugefrorenen Wannsee, aber das Kribbeln im Bauch, ausgelöst von dieser Kindheitserinnerung, war noch da. Heute nutzten wir den ersten verschneiten Morgen dieses Winters und fuhren in den Grundewald, mitten in der Großstadt. Und so sah’s da aus:

Das kriegt der Harz im Winter auch nicht besser hin. Facetten einer Großstadt – das verblüfft mich noch immer. Und hier dachte ich spontan an Winterszenen niederländischer Maler:

Die heilende Kraft der Natur – es hier bewahrheitet sich das Sprichwort auf verblüffende Weise. Heruntergerutscht (und früher auch mal Skigefahren) wird hier nämlich auf Weltkriegstrümmern. Der Teufelsberg ist Berlins größter Trümmerberg, aufgeschichtet bis in die frühen siebziger Jahre hinein aus den Überresten zerbombter Häuser.

Ein fortwährender Kreislauf. Irgendwie beruhigend.

Sommer

Juli 6, 2017 § Hinterlasse einen Kommentar

Durchs weit geöffnete Küchenfenster flutet das Licht. Später Nachmittag. Gelb mischt das transparente Blau vom Horizont her auf, unfassbarer Himmel, diese Durchreiche zum All. Die kerzengerade, aus dem weitläufigen Hof hinaus den Block mächtig überragende Fichte grüßt nachbarlich herein. Ihr dunkles Grün verbindet sich mit dem Ocker des alten Gemäuers und dem Azur des Himmels zu einem satten D-Dur Quartsextakkord. Aus den Boxen blubbert Gudrun Gut, auch so eine Heroine im Umfeld genialer Dilletanten des alten Westberlin. Das Schälchen mit den ersten Brombeeren steht auf dem Tisch bereit, gleich daneben lungern meine Füße. Sommer here we go.

 

Im Farbenrausch –

August 2, 2015 § 9 Kommentare

( – keiner der Räusche schlechtester)

Kopf axcd

Ganz ohne mein Zutun hat hier unterdessen seit „Im Gebirge…“ eine Serie begonnen: die „Im hmhmhm“-Serie. Dämlicher Titel, zugegebenermaßen, aber da hab ich mich von der momentan in Berlin laufenden und sich zum Publikumsliebling entwickelnden Ausstellung „ImEx“ inspirieren lassen. Ich frage mich, wer von den alteingesessenen Ex-Westberlinern dabei außer mir noch an das „Ex“, die legendäre Hausbesetzerkneipe im Mehringhof denkt und sich also ausmalt, wie der kunstbeflissene Berlintourist brav in den Mehringhof dackelt. Wobei mir eine kleine Anekdote aus meiner frühen Westberliner Zeit einfällt. Ohne dass ich jemals zu irgendeiner Westberliner Szene gehört hätte, besuchte ich doch eines Abends mit einem zu Besuch weilenden sehr guten Freund das Ex. Auf dem Tresen stand, wie immer, eine Sammelbüchse für allerlei linke Projekte und zur Unterstützung des weltweiten Kampfes gegen Unterdrückung (was genau drauf stand weiß ich nicht mehr, aber darum ging’s wohl so ungefähr). Mein Freund nun zückte eine D-Mark, hielt sie über den Schlitz und fragte den Mann hinterm Tresen „ist das auch nur für gewaltfreie Aktionen?“ Dieser beeilte sich, heftig Kopfnickend zu erwidern „aber selbtverständlich“. Enttäuscht zog mein Freund daraufhin die Mark zurück und meinte „ach so, dann nicht…“. Der Tresenmann verzog das Gesicht und ärgerte sich wahrscheinlich gar sehr…

Wo bin ich?

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