Der Sturz
Juni 4, 2013 § 5 Kommentare
An der Ostsee kaufte ich mir zum zweiten Mal in meinem Leben eine Bildzeitung. Beim Bäcker war mein Blick auf die Theke gefallen: „Malerfürst in Handschellen“. Aha, der malende Großkotz Lüpertz brauchte eine Schlagzeile, dachte ich spontan, als ich sein Konterfei rechts neben der Schlagzeile sah. Einem anderen unserer Malerfürsten war ich neulich in der Albertina zu Dresden begegnet. Dort ist ein ganzer Saal großformatigen Arbeiten von Baselitz gewidmet, hübsche Portraits, leider verkehrt herum aufgehängt. In der FAZ las ich neulich einen aufschlussreichen Artikel über Baselitz, in dem der Widerspruch zwischen Selbstinszenierung (unverstandener Außenseiter) und komfortablem Leben in Gesellschaft einschlägig steuervermeidender Hochfinanzler beleuchtet wurde. Aufhänger war eben jener Saal in der Albertina. Der Journalistin war aufgefallen, dass die Bilder nicht im Besitz des Museums sind, sondern privater Provenienz. Nachfragen, aus wessen Sammlung sie stammen, wurden abschlägig beschieden: geheim. Also wieder Mal ein eklatanter Fall, wo steuerfinanzierte Museen als wertsteigernde Durchlauferhitzer für Bilder aus privaten Sammlungen missbraucht werden. Das Bargeld, das durch diese und andere steuervermeidende Praktiken angesammelt wurde und gegenwärtig offenbar in Folge Wirkung zeigender Maßnahmen staatlicher Organe verschreckt über Ländergrenzen hinweg vagabundiert, suchte lustigerweise neulich der Zoll bei meinem Onkel und mir, als wir im Zug von Basel nach Karlsruhe fuhren. Auf Nachfrage erklärten die freundlichen Beamten, wir passten genau in das Schema derjenigen Klientel, die derzeit verstärkt große Summen Bargeld über die Schweizer Grenze nach Deutschland schmuggeln. Wir sahen also so aus, als verfügten wir über größere Barmittel. Ein bemerkenswerter Umstand, den ich insofern bedauerlich fand, als ich die umgekehrte Variante vorgezogen hätte: arm aussehen aber viel Geld haben. Ehrlich gesagt sahen wir auch nicht reich aus, aber in den Augen geschulter Zollbeamter wohl so, als hätten wir absichtlich unseren Bekleidungsstil heruntergedimmt, um nicht ins Visier der Zollkontrolle zu geraten. Wir strahlten also gewissermaßen das edle Outift aus, ohne es anzuhaben. Somit passten wir ins Beuteschema dialektisch geschulter Zollbeamter (und -innen, sei hier korrekterweise ergänzt, denn eine solche war dabei) . Die Dialektik ist in der Philosophie ja etwas aus der Mode geraten, im Zoll aber lebt sie fort, übrigens auch im Sport als Doppelter Rittberger, das sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt. Was wollte ich eigentlich schreiben? Ich hab den Faden verloren. Ach ja – ich wollte etwas fragen zu der Frage, warum Baselitz Anweisung gibt, seine Bilder verkehrt herum aufzuhängen. Ist er der Meinung, die Welt steht Kopf? Steht seine Welt Kopf? Sollen wir Kopfstehen (beim Betrachten der Bilder – das geht, mit ein wenig Yoga)? Malt er sie kopfstehend? Verwischt er Verlaufsspuren der Farbe um zu suggerieren, das Bild sei gemalt wie’s hängt? Stellt allein er seine Bilder über Kopf? (Das nennt man wohl ein „Alleinstellungsmerkmal“ – hat bisher ja noch jedem Künstler geholfen) Egal. Ich war hier nicht angetreten zu fragen oder zu schreiben. Ich wollte malen. Voila: