Erste Sätze (VI)

Dezember 19, 2018 § 7 Kommentare

Der Schatten des Körpers des Kutschers

Durch die halboffene Tür sehe ich den lehmigen, aufgestampften Weg und die morschen Bretter um den Schweinekofen.
(Peter Weiss, Der Schatten des Körpers des Kutschers)

 

((Allerorten öffnen sich ja grad Türchen, ein wirklich schöner vorweihnachtlicher Brauch, der im digitalen Orbit munter weiter lebt. Fällt mir eben ein, weil Weiss‘ Held ja auch durch eine Tür blickt –  wenngleich es ihm weniger um zelebrierte Vorfreude denn um Orientierung in schwierigen Zeiten geht. Und da wiederum fällt mir ein, dass es mich letzten Samstag schmerzlich durchzuckte, als in mir sehr vertrauter, lieber Umgebung  am Adventskranz bereits das dritte Kerzlein entzündet wurde.  Einen Tag zu früh. Gesprächsweise entwickelte ich heute eine Spontantheorie darüber, warum ich dies als einen solchen Tabubruch empfand, obgleich ich alles Religiöse sonst aus durchaus entspannter Distanz betrachte. Die Sache gründet, wie fast alles im Leben, in tiefster Kindheit. Als das Leben noch voller Magie und unergründlicher Rätsel war. Ein solches Mysterium war alljährlich Weihnachten, die Ungeduld im Herannahen schier unerträglich, und folglich gebändigt durch’s strenge Ritual der Kalendertürchen, aber auch, und geheimnisvoller noch, durch die an jedem Advent neu anzuzündenden Kerzen. Da durfte nicht geschummelt werden, dieser eine Tag musste noch gewartet werden – es ging ums Ganze. Diese kindliche Vorstellungswelt, in die noch viele andere Mysterien hineinspielen, ist der Schatz, den der Mensch sein Leben bewahrt und zugleich – dies die Tragik – schwinden sieht. Und jedes Mal, wenn eine Erkenntnis kommt, sich ein Rätsel löst, das Banale Einzug hält, schwindet Lebensenergie und wir werden ein Stück älter))

Wo bin ich?

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